WILLIAM KENTRIDGE

Video Still from the film made for "More Sweetly Play The Dance", © William Kentridge, 2015

Luxemburg - Das Musée d’Art Moderne Grand-Duc Jean (MUDAM) präsentiert eine monografische Ausstellung mit Arbeiten des südafrikanischen Künstlers William Kentridge. Über vier Jahrzehnte hinweg hat Kentridge ein bedeutsames Gesamtwerk in verschiedenen künstlerischen Bereichen geschaffen, darunter Performance, Theater und Oper. Die im Rahmen des red bridge project konzipierte Schau im MUDAM widmet sich jüngeren Werken des Künstlers und zeigt neben Zeichnungen und Arbeiten auf Papier auch Skulpturen, Filme und audiovisuelle Installationen.

Kentridge ist bekannt für seine auf Kohlestiftzeichnungen beruhenden Animationsfilme, die in einem für sein Werk charakteristischen Prozess des Auslöschens und Neubearbeitens entstehen. In seinen erzählerisch geprägten Arbeiten befasst er sich mit Problematiken, die im engen Zusammenhang mit der Geschichte, mit Erinnerung und Vergessen, aber auch mit dem Status des Künstlers und dem schöpferischen Arbeitsprozess stehen. Diese behandelt er stets unter dem doppelten Blickwinkel seines Heimatlands und der eigenen künstlerischen Persona. Der „Ideologie großer Narrative“, so Kentridge, ziehen seine Zeichnungen, Collagen, Filme, Performances und Bühnenwerke eine Ästhetik des Fragments, der Unvollständigkeit und der Ungewissheit vor.

Film-Protagonisten als Alter Ego

Eines der zentralen Themen der Ausstellung im MUDAM ist die fortwährende Beschäftigung des Künstlers mit der Konstruktion von Bedeutung anhand von visuellen Kompositionen, Sprache, Klang und Zeit – historische Zeit, geologische Zeit, Bühnenzeit und Atelierzeit. Im Zentrum der Präsentation steht sein neues Werk für die Bühne, Waiting for the Sibyl (2019), eine Auftragsarbeit des Teatro dell’Opera in Rom, den Grand Théâtre de la Ville de Luxembourg und Dramaten in Stockholm, die als Gegenstück zur Oper Work in Progress (1968) von Alexander Calder (*1898 in Lawnton, Pennsylvania; †1976 in New York) konzipiert ist.

Die Ausstellung wurde von der Designerin Sabine Theunissen, einer langjährigen Mitarbeiterin des Künstlers kuratiert. Unter anderem sind die Filme Sibyl (2020) und City Deep (2020) zu sehen, dem letzten Film in der Reihe der Drawings for Projection, die Kentridge 1989 begonnen hat und deren Protagonisten seine Alter Egos Soho Eckstein und Felix Teitelbaum sind. Gezeigt werden sie in der Ostgalerie des Museums (Obergeschoss) gezeigt, umringt von einer Zusammenstellung aus großen und kleinen Zeichnungen, Arbeiten auf Papier und Skulpturen, die das narrative Formenvokabular des Künstlers umfänglich dokumentieren. Ihr spektakuläres Pendant, die mehrteilige immersive Videoprojektion More Sweetly Play the Dance (2015), wird in der Westgalerie des Museums präsentiert.

Konzeption für die Museums-Architektur

In der Grand Hall des MUDAM wird die Klanginstallation Almost Don’t Tremble (2019) zu sehen sein, die der Künstler in Zusammenarbeit mit den südafrikanischen Komponist Philip Miller, Neo Muyanga, Kyle Shepherd, Waldo Alexander und Nhlanhla Mahlangu produziert hat, sowie eine neue monumentale Zeichnung, Shadow (2021), die von William Kentridge als Antwort auf die Architektur des Museums konzipiert wurde.

William Kentridge. More Sweetly Play the Dance ist Teil der zweiten Ausgabe des red bridge project, einer interdisziplinären Zusammenarbeit zwischen dem MUDAM Luxembourg, der Philharmonie Luxembourg und dem Grand Théâtre de la Ville de Luxembourg. Eine Programmreihe mit Aufführungen und speziellen Veranstaltungen ergänzt die Ausstellung. Als Teil des Programms im MUDAM wird die australische Sopranistin Joanna Dudley die Performance A Guided Tour of the Exhibition: For Soprano with Handbag (15 & 16.05.2021) durchführen.

Die Ausstellung wird begleitet von dem Künstlerbuch Waiting for the Sibyl, das bei Walther König erschienen ist, und À pas de panthère (MUDAM Luxembourg, Éditions Dilecta), einem Buch mit einer Reihe von Gesprächen zwischen William Kentridge und Denis Hirson, das ab April 2021 erhältlich ist.

Biografie des Künstlers

William Kentridge (*1955 in Johannesburg) wurden viele Einzelschauen gewidmet, u. a. im LaM in Villeneuve d’Ascq (2020), im Kunstmuseum Basel (2019), im Museo Nacional Centro de Arte Reina Sofía in Madrid (2017), im National Museum of Modern and Contemporary Art in Seoul (2015), im Metropolitan Museum of Art in New York(2013), in der Tate Modernin London (2012), im Centre Pompidouin Paris (2002) und im Hirshhorn Museum und Sculpture Garden in Washington, DC (2002). Seine Arbeiten wurden auf zahlreichen internationalen Großveranstaltungen gezeigt, darunter auf der documenta 10, 11 und 13 in Kassel (1997, 2002 und 2012) und der 45., 48. und 51. Biennale in Venedig (1993, 1999 und 2005). Er ist Träger des Praemium Imperial Prize (2019), des Penagos-Preises für Zeichnung der Stiftung MAPFRE (2014), des Kyoto-Preises (2010), des Goslaer Kaiserrings (2003) und des Carnegie Prize (2000). Sein Bühnenwerk umfasst mehrere umfangreiche Produktionen, darunter The Head and the Load (2018), Wozzeck (2017), The Nose (2010) und The Magic Flute (2005). Er lebt und arbeitet in Johannesburg.

MUDAM Luxemburg, 13.2. bis 30.8.2021. Corona zum Trotz wird die Ausstellung von vielen Veranstaltungen begleitet, s. Internet: https://www.mudam.com/de/

Bis zum 1. August präsentieren auch die HAMBURGER DEICHTORHALLEN William Kentridge: 

Die Hamburger Schau wurde vom Zeitz Museum of Contemporary Art Africa (Zeitz MOCAA) in Zusammenarbeit mit William Kentridge konzipiert und organisiert. Kentridge verarbeitet Themen wie soziale Ungerechtigkeit, die Geschichte Südafrikas, Kolonialismus, Familie, Flucht und Vertreibung mit den unterschiedlichsten Medien. Am Anfang seiner künstlerischen Praxis steht jedoch immer die Zeichnung, welche als Leitmedium im Mittelpunkt der Ausstellung steht.

William Kentridge gehört zu den weltweit bedeutendsten zeitgenössischen bildenden Künstlern, der sich auch als Theater- und Opernregisseur international einen Namen gemacht hat. Als Kind gegen die Apartheid engagierter Eltern in Südafrika aufgewachsen wird das weltpolitische Geschehen Teil von Kentridges eigener Biografie und seines Schaffens. Kentridges Werke visualisieren die soziokulturellen Auswirkungen des Postkolonialismus und der Apartheid aus der Perspektive seines Heimatlandes. Weitere Informationen unter: https://www.deichtorhallen.de/ausstellung/william-kentridge. Dort ist via youtube auch ein halbstündiges Interview mit dem Künstler zu sehen.

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