Auf Entdeckungsreise mit Rinus Van de Velde

Das BOZAR in Brüssel präsentiert das Werk des vielseitigen Flamen
Rinus Van de Velde, The principle impulse, 2021, Charcoal on canvas, artist´s frame, 300x525 cm, Courtesy of Tim Van Laere Gallery, Antwerp, © Rinus van de Velde

Rinus Van de Velde gehört zu den spannendsten Künstlern seiner Generation. Der belgische Zeichner zieht weltweit Interesse auf sich mit seinen großformatigen Kohlebildern, die er als Teil einer umfassenden Erzählung begreift, in deren Mittelpunkt nicht selten er selbst steht. Anlässlich der diesjährigen EUROPALIA (vier Monate dauerndes Kulturfestival, das alle zwei Jahre stattfindet und jeweils ein Land in den Fokus stellt), zeigt das Paleis voor Schone Kunsten (BOZAR) in Brüssel nun eine große Werkschau des Flamen.  

Durch verschiedene Medien, von Zeichnung über Skulptur, Installation und Film, schafft Rinus Van de Velde ein Paralleluniversum, in dem Elemente aus Realität und Vorstellungskraft zu einer einzigartigen Form des visuellen Geschichtenerzählens verschmelzen. Als selbsternannter Sofareisender erzählt Van de Velde oft Geschichten über halbheroische Quests und Abenteuer, die sich um imaginäre Reisen und fiktive Begegnungen mit Figuren der jüngeren Kunstgeschichte drehen.

Die Ausstellung konzentriert sich auf eine kreisförmige Geschichte des Verlassens und der Rückkehr nach Hause, wobei der Zug als Metapher für die Reise verwendet wird, und zeigt Van de Veldes neuen Film sowie einen Überblick über hauptsächlich neuere Arbeiten. Dem Ganzen wird eine Auswahl von Werken moderner und zeitgenössischer Künstler wie Pierre Bonnard, Joseph Cornell, Fischli/Weiss, Joan Mitchell, Claude Monet, Monster Chetwynd, Laure Prouvost, Josephine Troller, Jean Tinguely und anderen gegenübergestellt.

Rinus Van de Velde wurde 1983 im belgischen Leuven (Löwen) geboren, studierte von 2002 bis 2006 an der Hogeschool Sint-Lukas in Antwerpen und entschied sich 2009 für einen zusätzlichen Besuch des Higher Institute of Fine Arts. Zunächst beschäftigte er sich vorwiegend mit der Bildhauerei, ehe er seine große Begabung als Zeichner entdeckte und sich ausschließlich diesem Medium zuwandte. Seine ersten Motive entnahm er Zeitschriften, Büchern und dem Internet, die Ausführung erfolgte ausschließlich mit Holzkohle auf Leinwand und Papier – einer Methode, der Rinus Van de Velde bis heute treu geblieben ist. Geändert hat sich hingegen sein Vorgehen bei der Motivwahl: Inzwischen arrangiert er in seinem eigenen Studio bühnenbildähnliche Szenerien, die er zuerst fotografiert und im Anschluss zeichnerisch verarbeitet. Dieser neue Ansatz bedeutet zwar mehr Aufwand, bringt dem Künstler aber auch mehr Kontrolle. Trotzdem bleibt das Zeichnen Herzstück seiner Kunst. 

Der Künstler als Modell und Mittelpunkt der Kunst

Rinus Van de Velde stellt sich häufig selbst in den Mittelpunkt seiner Zeichnungen. Dabei schlüpft er in verschiedene Rollen und spinnt eine fiktive Biografie seiner Person, die sich als fortlaufendes Narrativ durch sein Gesamtwerk zieht. Die Wahl seiner selbst als Motiv entspringt allerdings nicht einer ausgeprägten Eitelkeit, sondern hat vor allem praktische Gründe: Er sein nun einmal der einzige Mensch, der ihm rund um die Uhr zur Verfügung stehe, erklärt der Künstler. Längst arbeitet er auch mit anderen zusammen, delegiert Fotografie und Bühnenbau an Mitarbeiter, die seinen Instruktionen folgen. Als Modelle dienen ihm inzwischen häufig Freunde, die er in bestimmte Positionen dirigiert, in denen sie dann bewegungslos ausharren müssen, bis Van de Velde sein Ziel erreicht hat und mit dem Ergebnis zufrieden ist. Die notwendigen erzählerischen Erläuterungen bieten die mit Bedacht gewählten Bildunterschriften, die der Künstler mit den Bildtafeln in einem Stummfilm vergleicht.

Rinus Van de Velde, La Ruta Natural, 2019-2021, video (13 min., 34 seconds), Courtesy of Tim Van Laere Gallery, Antwerp, © Rinus van de Velde

Internationale Erfolge und stetige Weiterentwicklung

Rinus Van de Velde feiert mit seinen schwarz-weißen Kunstwerken zunehmend Erfolge und bespielt seit 2009 auch außerhalb seiner Heimat Belgien eine Vielzahl von Einzelausstellungen. Seit einiger Zeit dienen ihm auch Filmprojekte als Basis für seine künftigen Zeichnungen. Auch hier geht es wieder um die Erzählung, die der Künstler spinnt, und deren Ende er noch lange nicht gekommen sieht. So gelingt Rinus Van de Velde das einmalige Kunststück, seine Methoden beständig weiterzuentwickeln und sich dabei dennoch treu zu bleiben. Mit seinen Bildern will Van de Velde nicht die ganze Geschichte erzählen, sondern den einen Moment finden, der so essenziell, so charakteristisch für das Ganze ist, dass der Betrachter nur durch die Konfrontation mit dieser einen Szene die Spannweite des gesamten Bogens erahnen kann. Rinus Van de Velde lebt und arbeitet in Antwerpen.

Rinus Van de Velde. Inner Travels, bis 15. Mai, Paleis voor Schone Kunsten (BOZAR), Ravensteinstraat 23, 1000 Brussel, Internet: www.bozar.be

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