HEIMSPIEL

Den Haag zeigt die kinetischen Strandläufer des Haager Künstlers Theo Jansen
Theo Jansen, Animaris Percipiere Rectus, IJmuiden 2005, Foto: Loek van der Klis

Skelettartige Fabelwesen, die sich selbstständig im Wind bewegen: Die Strandläufer des Künstlers Theo Jansen (1948, Den Haag) sind regelmäßig zu Gast in Scheveningen, dem "Hausstrand" von Den Haag. Ab dem 26. Februar nun sind zehn dieser Objekte in chronologischer Reihenfolge der Strandtier-Evolution im Kunstmuseum Den Haag zu sehen. „Seit 1990 beschäftige ich mich mit der Schaffung neuer Lebensformen" sagt Theo Jansen. Dabei sei das Urmaterial kein Eiweiß wie in der vorhandenen Natur, sondern eine elektrische Röhre. "Meine Strandtiere beziehen Energie aus Wind und müssen daher nicht fressen. Im Lauf der Zeit hat eine Entwicklung stattgefunden, die in aufeinanderfolgenden Generationen sichtbar ist. Dies wird in der Präsentation des Kunstmuseums deutlich sichtbar.“

Mit der Ausstellung will das Kunstmuseum Den Haag den Jansen-Fans - und derer gibt es viele, denn Jansen gehört zu den beliebtesten Gegenwarts-Künstlern der Niederlande - sowohl innen, als auch außen, Gelegenheit geben, tiefer in das Werk des Künstlers einzutauchen. „Durch das Aufstellen von einem Dutzend Strandtieren im Freien kann sich jeder überraschen lassen“, erklärt Museumsdirektor Benno Tempel. „Ich bin überzeugt, dass Jung und Alt davon fasziniert sein werden. Im Projektraum des Museums erfahren sie mehr über Jansens Vision, seine Techniken, Hintergründe und Arbeitsweise.“

Theo Jansen, Animaris Umerus, Scheveningen 2009, Foto: Loek van der Klis
Theo Jansen. Stille strand ( Den Haag) 2018, Foto: Divera Jansen

Ein bisschen verrückt und doch nah an der Wirklichkeit

Die Strandtiere sind viel mehr als Kunstobjekte. Jansen strebt tatsächlich danach, seine Kreationen in großen Herden und ohne fremde Hilfe am Strand "leben" zu lassen. Dass dies kurzfristig nicht realisierbar sein wird, ist ihm bewusst. Aber er hat seinen Traum vor einigen Jahren in einem Interview mit National Geographic klar formuliert: „Gib mir noch ein paar Millionen Jahre und meine Strandtiere werden völlig autark existieren.“ In den letzten Jahrzehnten hat Jansen die Strandtiere weiterentwickelt und viele Schritte in Richtung Unabhängigkeit getan. Während seine erste Kreation noch nicht fahrbar war und aus PVC-Rohren und Klebeband bestand, sieht man nun imposante, meterlange Strandtiere, die sich im Sand ihren Weg bahnen. Die PVC-Rohre sind immer noch das Grundmaterial, aber dank allerlei ausgeklügelten Techniken können die Strandtiere im Wind selbstständig gehen und mit den Flügeln schlagen. Auch ein „Magen“ aus PET-Flaschen kann Wind fangen und wieder ausblasen und so Bewegung ermöglichen.

Zonsondergang (Sonnenuntergang), Stille Strand Den Haag 2013, Foto: Theo Jansen

Beitrag für den Klimawandel

Mit seinen Strandläufern will Jansen einen Beitrag für den Klimawandel leisten. Beim Schreiben einer Volkskrant-Kolumne über die Gefahr des steigenden Meeresspiegels, meinte er die Lösung für dieses Problem gefunden zu haben: Tiere, die den Strand auflockern und diesen zur Verstärkung in die Dünen pusten. Er begann Objekte herzustellen, die Tieren ähnlich sehen und an Fabelwesen erinnern und die er mit lateinischen Namen versah, wie Animaris Vulgaris, Animaris Rhinoceros oder Mater Extensa. Nach Angaben des Künstlers befinden sich die skelettartigen Gebilde bereits in der 7. Generation einer Evolution hin zum eigenständigen Leben. Seine Strandbeesten können sich grob an ihrer Umwelt orientieren. So verankern sie sich bei einem aufkommenden Sturm selbstständig im Sand, erkennen mit ihren Fühlern Hindernisse und ändern die Laufrichtung, wenn sie ins Wasser geraten. In der jüngsten Periode, dem „Volantum“ (2020-2021), entwickelte Jansen erstmals eine fliegende Variante. Auf https://strandbeest.com/ kann man anhand eines umfangreichen Stammbaum sehen, wie die verschiedenen Generationen angeordnet sind.

Über den Künstler

Theo Jansen studierte von 1968 bis 1975 Physik in Delft und begann erst danach als Künstler zu arbeiten. Eines seiner ersten Objekte war eine fliegende Untertasse, die in Delft für Aufsehen sorgte. Bekannt jedoch wurde er ab den 90er Jahren mit seinen kinetischen Kunstobjekten, den Strandtieren (strandbeesten). Dabei handelt es sich um gehende Maschinen, die aus gelben Plastikrohren, Kabelbindern, Nylonfäden und Klebebändern konstruiert sind. Die Umwandlung von einer geradlinigen Bewegung in eine Drehbewegung (und umgekehrt) erfolgt dabei über Koppelgetriebe. Die für ihre Bewegung notwendige Energie beziehen sie aus dem Wind oder Druckluft.

Von 1986 bis 2008 schrieb Jansen eine Kolumne in de Volkskrant. Für seine innovative kinetische Kunst bekam Theo Jansen den Sonderpreis der Prix Ars Electronica 2005 zugesprochen. Weitläufig bekannt wurde er 2007 durch den Werbespot der Automarke BMW. 2007 veröffentlichte er das Buch "De Grote Fantast" (Der große Phantast) über den Entwicklungsprozess seiner Strandtiere. 2014 erschien der Bildband "Strandbeest: The Dream Machines of Theo Jansen" der russisch-amerikanischen Fotografin Lena Herzog. Jansen erhielt mehrere nationale und internationale Preise, darunter 2018 den des Künstler des Jahres, den Haager Kulturpreis (2018) und den Prix Leonard Giannadda (2020). 

Auch als Ted-Redner hat sich der Kinetiker 2007 hervorgetan: https://www.ted.com/speakers/theo_jansen

Theo Jansen, STRANDBEESTEN, DE NIEUWE GENERATIE, 26.2. bis 3.7.22, Kunstmuseum Den Haag, Stadhouderslaan 41, 2517 HV Den Haag, Internet: www.kunstmuseum.nl/nl/tentoonstellingen/theo-jansen

 

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