Großer Bahnhof für DANIEL BUREN

Comme tombees du ciel les couleurs in situ et en mouvement, Gare Guillemins, Photo: J-L Deru, © Daniel Buren

Wer dieser Tage mit dem Zug nach Liège reist, erlebt sein buntes Wunder. Das Dach des weißen und für sich schon spektakulären Calatrava-Bahnhofs Guillemins ist in pink, blau, gelb, rot, orange und weiß getaucht. Die Farben leuchten je nach Tageszeit dezent oder intensiv. Durch das Zusammenspiel mit Kontrasten und Reflexionen verändern sie ständig den Charakter des ikonischen Gebäudes.

Daniel Buren (1938) hat das Kunstwerk mit dem sperrigen Titel „Comme tombées du ciel, les couleurs in situ et en mouvement“ für die Hauptstadt der Provinz Lüttich geschaffen. Der Franzose, dessen Markenzeichen konzeptuell erdachte Farbstreifen sind, schaut auf eine langjährige Karriere als Bildhauer zurück. Mit einem System aus Streifen, das im Werk von Buren seit ca. 1965 auftaucht, weicht der Künstler die Bildpräsentation in einem musealen oder auch öffentlichen Raum auf. Die wiederkehrenden Streifen erzeugen Momente der Uniformität, der (allerdings nur scheinbaren) Beliebigkeit und zugleich Banalität. Bekannt wurde der Franzose mit seiner Produktion von 260 Säulen aus Marmor, die als „colonnes de Buren“ seit 1986 im Innenhof des Pariser Palais Royal zu sehen sind. Zu seinen jüngsten Werken zählt die Dach-Verkleidung der von Gehry gebauten Fondation Louis Vuitton in Paris 2016. Auch 3000 Reklametafeln mit vertikalen Farbstreifen, die seit diesem Frühjahr die finnischen Städte Espoo und Helsinki zieren, gehen auf das Konto des 84-Jährigen, der im Lauf seines inzwischen 60-jährigen Schaffens tausende Exponate an vielen Orten weltweit errichtet hat. Seine Arbeiten beschäftigen sich mit traditionellen Formen der Präsentation ebenso, wie mit dem Umgang von Kunst im öffentlichen Raum. Bahnhöfe allerdings gehörten bislang noch nicht zum Repertoire des ehemaligen Documenta-Teilnehmers. Mit seinem gewölbten Dach, das Glas und Metall kombiniert, gilt der Gare Guillemins als eine architektonische Meisterleistung und Aushängeschild der einstigen Industrie-Metropole. Rund 100.000 Fahrgäste pro Woche passieren den Bahnhof auf ihrem Weg von oder nach Deutschland, Frankreich, die Niederlande und Luxemburg. 

Daniel Buren hat aus der "Kathedrale der Architektur" eine "Kathedrale des Lichts" erschaffen. Fotos: Cornelia Ganitta
Comme tombees du ciel les couleurs in situ et en mouvement, Gare Liège-Guillemins, 2022-23, Photo: J-L Deru, © Daniel Buren
Comme tombees du ciel les couleurs in situ et en mouvement, Gare Liège-Guillemins, 2022-23, Photo: J-L Deru, © Daniel Buren

Kein Wunder, dass sich Buren von Anfang an begeistert von der Idee zeigte, die der Lütticher Unternehmer und Kunstsammler Stéphan Uhoda von der gleichnamigen Uhoda-Group an ihn herantrug – zumal sein „Sparringspartner“ kein Geringerer als der spanische Architekt Santiago Calatrava ist. Nachdem dessen Okay sowie die Genehmigungen seitens der städtischen Behörden und der belgischen Bahngesellschaft (SNCB) vorlagen, machten sich Anfang August 15 Industriekletterer daran, die 10.000 Quadratmeter große Fläche mit lichtdurchlässigen Farbfolien abzukleben. „Buren arrived for the D-Day mid october and was very happy“, sagt Uhoda, der für weitere Kunstprojekte in seiner Heimatstadt verantwortlich zeichnet. So hat er, respektive eine von ihm zusammengestellte Auswahlkommission, im Rahmen der Initiative „Art au centre“ nationale und internationale Künstler eingeladen, leere Schaufenster von Geschäften mit Kunst zu füllen. In Form von Popup-Ausstellungen sind die Werke nun an 14 verschiedenen Standorten in der Stadt verteilt, wo sie bis März 2023 besichtigt werden können.

Foto: Cornelia Ganitta

Auch Daniel Burens farbige Installation ist befristet für ein Jahr zu sehen. Bewusst so lang, damit der sich in vier Jahreszeiten verändernde Lichteinfall zum Ausdruck kommt. Aber auch, damit sich die – überwiegend von Firmen gesponserten – Kosten von 600.000 Euro „irgendwie“ amortisieren … und wenn auch nur als begehrtes Instagram-Motiv.

Daniel Buren: Comme tombées du ciel, les couleurs in situ et en mouvement, bis 15.10.23, Bahnhof Liège-Guillemins. Infos unter: www.colorexperience.be. Führungen können unter www.artfact.uliege.be gebucht werden. Für die Kunstroute liegt ein Faltplan am Info-Desk in der oberen Etage aus. Übrigens ist der Bahnhof von NRW aus bequem mit dem Thalys zu erreichen, der von Essen über Düsseldorf und Köln die Städte Liège, Brüssel und schließlich Paris ansteuert!