Rückblick auf die HAUTE PHOTOGRAPHIE in Rotterdam

Wo fotografische Talente zu Markte getragen werden
Foto: Ruben van Schalm, Boy, Realisation No 1, Meteora, Greece 2017

Hell, großräumig und lichtdurchflutet zeigt sich der neue Standort der Haute Photographie, die vom 19. bis 22. Mai in Rotterdam stattfand. Bis dahin gab sich die Galerie-geführte Fotomesse am Südzipfel der Maas-Metropole (Kop van Zuid), in direkter Nachbarschaft zum Nederlands Fotomuseum, ein Stelldichein.Nun ist sie zwar weiter weg vom Zentrum, aber in illustrer Gesellschaft der Designmesse Object und unweit vom Atelier des niederländischen Künstlers Joep van Lieshout, das in diesem aufstrebenden Hafenviertel (Vierhavens) wegen seiner großen, skurrilen Objekte für sich schon eine Kuriosität darstellt. Und auch die Art Rotterdam, die ihren angestammten Platz in der denkmalgeschützten Van Nelle-Fabrik hat, ist von hier aus per pedes oder Bus-Shuttle gut erreichbar. Das Besondere: Alle Messen präsentieren sich zeitgleich innerhalb der mehrtägigen Rotterdamer Art Week, die bislang im Februar stattfand, pandemiebedingt nun aber erstmals im Mai ihre Pforten öffnete. Gut vorstellbar, dass das angesichts der milden Temperaturen und der damit verbundenen Möglichkeit, seinen Cava draußen zu trinken, auch so bleibt.

Neue Talente

Kennzeichen der Haute Photographie ist ihr Entdecker-Geist, der auf ihren Gründer Roy Kahmann zurückgeht. Der Amsterdamer Galerist liebt es, neue Talente aufzuspüren und beweist darin immer wieder ein gutes Händchen. So wartete er diesmal unter anderem mit Marianna Rothen (1982) auf. Die Wahl-New Yorkerin nutzt ihre Fotografie und Filme, um konventionelle Vorstellungen von weiblicher Schönheit zu erforschen und zu dekonstruieren. Mit einer Mischung aus traditionellen fotografischen Verfahren und digitalen Medien schafft sie Bilder, die zum Teil an die Zeit des Film Noir erinnern. Dabei schlüpft die Kanadierin, selbst in verschiedenen Rollen: mal als nackte, sich auf dem Bett räkelnde Femme fatale, die ein Buch mit dem Titel: Conquest by man „liest“, mal als Marilyn Monroe, deren Brust von einem Mann von hinten umfasst wird. Dabei ist schnell klar: die in der Serie „Mail Order“ (2018) abgebildeten Männer sind nicht echt, sondern allesamt zum Objekt stilisierte Schaufensterpuppen. Ein Spiel mit den Geschlechterrollen, wie es auch Cindy Sherman schon zu spielen wusste.  

Marianna Rothens Spiel mit den Geschlechterrollen
Marianna Rothen: Ihre Männer sind Schaufensterpuppen und mutieren so zum "Spielball"

Ebenfalls auf der Haute Photographie vertreten: der in Paris lebende deutsche Fotograf Marcus Schaefer (1987), dessen gesamtes Werk derzeit von Kahmann vermarktet wird. In einer Welt, die überwiegend von Farbbildern beherrscht wird, sucht Schaefer nach neuen Wegen, der visuellen Ästhetik der Schwarz-Weiß-Fotografie Ausdruck zu verleihen. Allerdings erinnern seine kunstvollen Collagen an die surrealistische Fotografie im Stil von Man Ray. Seitdem Schaefer in Paris wohnt, sei er von großen Marken entdeckt worden, sagt der Experte mit Verweis auf einen an dessen Stand ausliegenden, achtseitigen Artikel, den das Financial Dagblad über den Fotografen publiziert hat. „Dat wordt een grote jonge“, ist sich Kahmann sicher.

Von Albert Watson bis Ruben van Schalm

Auf der Empore gibt es erstmals auch Raum für den Verkauf von Fotobüchern, die dazu einladen, sich in das Werk der ausgestellten Fotografen weiter zu vertiefen. „Die Buchabteilung zieht nochmal andere Sammler an“, so Kahmann, „auf diese Weise haben wir nun einen tollen Mix aus Print- und Büchersammlern“. Auf die Frage nach seinem derzeit heißesten Trend, sagt Kahmann: „Sara Punt ist schon seit einigen Jahren ein Talent, aber seit der Paris Photo ist sie sehr `hot´. Das sehe ich an den vielen Anfragen, die ich aus ganz Europa erhalte“. Da Kahmann nicht alle Newcomer „an die Wand hängen“ kann, hat er mit seiner Galerie einen digitalen Projektionsraum kreiert, in dem rund 70 von ihnen zusammengefasst sind. Von einigen musste er sich verabschieden. So ist der belgische Fotograf Stephan Vanfleteren nicht mehr dabei. „Ich muss meine Rolle akzeptieren, bei der ich Talente entdecke, ihnen ein Podium biete … aber dann, wenn sie ihren Durchbruch haben, sie ihre eigenen Wege verfolgen“, erklärt Kahmann. Ausnahmen aber bestätigen die Regel und so erweist ihm Albert Watson, der immer noch aktiv ist, auch nach 18 Jahren noch, die Treue. Sein Foto von Kate Moss, dass sicherheitshalber am Eingang hinter der Kasse hing, toppte mit 45 000 Euro alle anderen gezeigten Werke, die bereits ab 500 Euro zu bekommen waren. 

Kate Moss, Foto: Albert Watson
Viel schwarz-weiß und nackte Haut. So auch in der Koje von Ruben van Schalm, Haute Photographie, Rotterdam Mai 2022

Und schließlich ist da noch Ruben van Schalm (1988), der in Israel lebende Rotterdamer, der einst als Modell bei Erwin Olaf begann und – ermutigt durch diesen – nun selber im Begriff ist, „ein großer Junge“ zu werden. Auf der Messe war er mit seiner Serie „Paradise“ vertreten, die einfühlsam und ästhetisch männliche Modelle zeigt, allesamt nackt, im Wasser oder Wald posierend. Van Schalm, selber homosexuell und seit 2018 mit einem seiner Models verheiratet, lebt seit zehn Jahren in Israel, einem Land, von dem er meint, dass es – bezogen auf Tel Aviv – viel toleranter sei gegenüber Homosexuellen, als Amsterdam. 

Auf der Messe präsentierte Van Schalm auch seinen ersten, gleichnamigen Fotoband (erschienen bei Komma / d´jonge Hond, Den Haag, ISBN 978-94-91525-91-9 NUR 653), für den sein ehemaliger Lehrmeister Erwin Olaf das Vorwort schrieb. Hier ein Auszug: "While the aesthetic of the nude mail ist still a leading subject of his work, Ruben nowadays combines it with the power and poetry of nature. The artist has not only succeeded in capturing the beauty of man, but also the fragility of our surroundings as soon as we are outside of our urban bubble". 

Die nächste Haute Photographie findet vom 15. bis 18. September in Amsterdam statt. Infos unter: www.haute-photographie.com

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