Kunst an der Küste

Ab Mai zeigen gleich drei Kunstfestivals in Flandern Skulpturen aus aller Welt
Die Skulptur "Auf der Suche nach Utopia" von Jan Fabre. Nieuwpoort, Belgien, Foto: Cornelia Ganitta

Die belgische Küste wird erneut zum Freiluft-Museum: Die siebte Ausgabe der Kunsttriennale Beaufort lockt von Mai bis November mit spannenden Kunstobjekten. Alle zehn Küstengemeinden nehmen teil. Einundzwanzig Künstler/-innen aus dem In- und Ausland sind eingeladen, Kunstwerke zum Thema "Der Mensch als Spielball der Natur" zu gestalten. Acht der Objekte gehen nach Ablauf der Triennale im Herbst dauerhaft in den Beaufort Skulpturenpark über: Der Park bildet eine einzigartige Freiluftausstellung mit inzwischen 30 Kunstwerken im öffentlichen Raum, die im Anschluss an die vergangenen Ausgaben der Triennale von einzelnen Küstengemeinden erworben wurden. Sie blieben am ursprünglichen Standort stehen oder erhielten einen neuen Platz. So entstand sukzessive ein permanenter Parcours, der nicht nur die Flamen, sondern auch Nordsee-Touristen erfreut.

Anfang Februar teilten die Organisatoren (Provinz Westflandern im Verbund mit Westtoer) rund um Kuratorin Heidi Ballet die Namen der teilnehmenden Künstler/-innen mit. Bei deren Präsentation sagte Ballet, die das Spektakel bereits zum zweiten Mal kuratiert: "Früher stellten wir die Frage: `Wie hat der Mensch die Küste verändert´. Mit der diesjährigen Beaufort-Edition drehen wir den Spieß um und fragen nach dem `Wie die Küste den Menschen verändert hat´". Angesichts einer nun schon ein Jahr anhaltenden Pandemie läge in dieser Fragestellung der besondere Reiz. 

Teilnehmende Künstler/-innen, deren Werke dauerhaft verbleiben: Laure Prouvost (FR) – De Panne, Els Dietvorst (B) – Koksijde-Oostduinkerke, Goshka Macuga (PL) – Nieuwpoort, Oliver Laric (AT) – Middelkerke-Westende, Rosa Barba (IT) – Oostende, Maen Florin (B) – De Haan-Wenduine, Marguerite Humeau (FR) – Blankenberge, Jeremy Deller (UK) – Knokke-Heist.

Für die Dauer der Triennale kreierte Kunstwerke von: Adrián Villar Rojas (AR) – Zeebrugge (in Zusammenarbeit mit der Triënnale Brugge), Nicolás Lamas (PE) – Bredene, Michael Rakowitz (USA), Heidi Voet (B), Timur Si-Qin (D), Maarten Vanden Eynde (B), Monokino (B), Rossella Biscotti (IT), Jimmie Durham (USA), Raphaela Vogel (D), Sammy Baloji (DRC) en Nel Aerts (B).

7. Kunsttriennale Beaufort, vom 27.5. bis 7.11.2021. Internet: www.beaufort21.be/de. Eine Übersicht der bisherigen Skulpturen gibt die Website: www.beaufortbeeldenpark.be/de

Impressionen von der Beaufort 2006, Fotos: Cornelia Ganitta

Etwa zeitgleich mit der Beaufort findet die Brügger Triennale statt. Zwölf internationale Künstler/-innen und Architekten/-innen bespielen dabei den öffentlichen und privaten Raum der nahen Küstenstadt mit Kunst. Durch Zwischenräume, Innenhöfe und Baustellen verläuft der Parcours und gibt so den Blick hinter ansonsten undurchdringliche Mauern frei. Die diesjährige Triennale baut auf den beiden Vorläufer-Ausgaben auf und führt den Besucher gleichzeitig in eine ganz neue Richtung. 2015 behandelte sie die hypothetische Umwandlung der Stadt in eine Metropole. Dazu ging man von der Horror-Vorstellung aus, dass Millionen Touristen, die die Stadt jedes Jahr besuchen, plötzlich beschließen würden, sich dort dauerhaft niederzulassen. Eine Annahme nicht von ungefähr: Zur letzten Triennale 2018 kamen 370 000 Menschen. Auf das Jahr verteilt, waren es 8,3 Millionen, die die mittelalterliche Stadt im Wortsinn „heimsuchten“. Nach jüngsten Prognosen sollen es bis 2030 rund elf Millionen werden - pro Jahr! Eine Kunst-Triennale soll die Besucherströme lenken helfen – weg vom Massentourismus, hin zu touristischer Besonnenheit und zielgerichteten Übernachtungsgästen. 

Blick vom Belfried auf das mittelalterliche Brügge, Foto: Musea Brugge

Balance zwischen Traum und Trauma

Stand in den Vorjahren das Thema Overtourismus zentral, steht die aktuelle Triennale unter dem Vorzeichen „TraumA“ – ein Titel, der die neue postpandemische Situation vor Ort zusammenzufassen scheint: Die Straßen, Restaurants und Hotels sind nahezu leer. Der Tourismus beginnt nur langsam wieder in Gang zu kommen, bisher vor allem mit inländischen Besuchern. In Inner Circle zum Beispiel stellt die Künstlerin Nadia Kaabi-Linke eine zum Kreis geschlossene Bank mit spitzen Stacheln in den Stadtraum: statt Gastfreundschaft, Ausgrenzung. Nnenna Okore umwickelt einen historischen Turm, in dem früher Schießpulver gelagert wurde, mit einem Netz aus amorphen PVC-Formen, die an rote Blutkörperchen erinnern. Gijs Van Vaerenbergh stellt Labyrinth-artigen Wald aus dicken Stahlsäulen in den Park, düster wie ein Alptraum, aber von zauberhaften Lichtspielen erhellt. Und Hans Op de Beeck platziert Pferde auf sein melancholisch-morbides Karussell vor der Sint-Walburga-Kirche. Auf deren Rücken sitzen Skelette, dazwischen stehen Tabletts mit Krügen und Früchten, alles ist grau, wirkt verstaubt – die Party ist vorbei. Im Zusammenspiel mit der mittelalterlichen Architektur Brügges und der unverhofften Leere in den Straßen wird die Balance zwischen Traum und Trauma dieser aktuellen Triennale beeindruckend eingelöst.

3. Triennale Brügge, im Zentrum der küstennahen Stadt, vom 8.5. bis 24.10.21. Internet: www.triennalebrugge.be/de

 

Nicht ganz an der Küste, doch ebenfalls in Flandern beheimatet ist Kortrijk. Mit ihren Broeltürmen (Überreste der alten Stadtbefestigung), dem Belfried und dem Beginenhof aus dem 13. Jahrhundert, der zum UNESCO-Weltkulturerbe zählt, hat auch diese Stadt einiges zu bieten. Darüber hinaus genießt Kortrijk eine Reputation bezüglich Handwerkskunst und hochwertigen Designs, was der Gemeinde die Mitgliedschaft im Netzwerk der UNESCO Creative Cities bescherte.

Vor diesem Hintergrund wurde die Idee einer (weiteren) Triennale für zeitgenössische Kunst geboren, der Paradise Kortrijk 2021. Für dieses Nachfolge-Ereignis von PLAY Kortrijk 2018 wurden nationale und internationale Künstler/-innen eingeladen, Beiträge zu liefern, darunter Berlinde De Bruyckere (B), Ugo Rondinone (CH), Yoko Ono (J), William Forsythe (USA), Michelangelo Pistoletto (IT), Olaf Nicolai (D) sowie das Modeschöpfer-Duo Viktor&Rolf aus den Niederlanden. Fragestellung war: Wie würden Sie unsere Gesellschaft und unsere Welt verbessern wollen? Und: Wie interpretieren Sie als Kunstschaffende den utopischen Traum vom Paradies? Die Ergebnisse sind nun in Kunsteinrichtungen und an öffentlichen Plätzen zu bestaunen.

Paradise Kortrijk 2021, 26.6. bis 24.10.21, Im Freien gratis zugänglich. In kulturellen Einrichtungen muss vorher online ein Zeitfenster reserviert werden. Internet: www.paradisekortrijk.be/en

Dazu passt ein TV-Beitrag der Deutschen Welle (DW) vom 26. Juni 2021, der sich mit dem Thema Utopia lebt - Die Stadt der  Zukunft befasst: https://bit.ly/3xVvOKW

 

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